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Kumulieren und Panaschieren in Baden, Pfalz und Württemberg

Als neu hinzugezogenem Baden-Württemberger drängt sich mir am heutigen Wahlsonntag ein Vergleich des baden-württembergischen zum mir bisher vertrauten rheinland-pfälzischen Kommunalwahlrecht auf, bei dem das erstere allerdings nicht besonders gut abschneidet.

In Rheinland-Pfalz gibt es bei der Kommunalwahl einen - großen - Wahlzettel, der alle Kandidaten, nach Listen geordnet, enthält. Dieser wird erst im Wahllokal ausgehändigt. Auf dem Wahlzettel kann man nun eine Liste ankreuzen und/oder auf einzelne Kandidaten bis zu drei Stimmen verteilen und/oder einzelne Kandidaten ausstreichen. Kreuzt man nur eine Liste an, enthält jeder Kandidat eine Stimme, beginnend mit dem Listenplatz 1, es sei denn, der Kandidat wurde gestrichen. Zuvor werden aber die einzeln vergebenen Stimmen ausgewertet; die Liste erhält sozusagen nur den Rest, und wenn man auch Kandidaten anderer Listen angekreuzt hat (panaschieren) oder bestimmten Kandidaten zwei oder drei Stimmen gegeben hat (kumulieren), dann gehen die Kandidaten am Ende der angekreuzten Liste eben leer aus. Dieses Wahlsystem ist für den Wähler sehr bequem; er kann auswählen, welche Kandidaten er wählen möchte, und diesen eine, zwei oder drei Stimmen geben, bis alle Stimmen verteilt sich, oder er kann sagen "Die restlichen Stimmen soll dann die Liste X erhalten" und zudem dort noch Kandidaten, die er nun gar nicht wählen möchte, streichen. Das ermöglicht die Listenwahl ebenso einfach wie die Wahl einzelner Kandidaten (also die komplette Verteilung aller einzelnen Stimmen) und auch jede Variante dazwischen, bspw. das Ausstreichen einzelner Kandidaten aus der gewählten Liste ("alle, aber nicht den") oder die gemischte Personen- und Listenwahl ("Herrn Müller und Frau Maier mit jeweils drei Stimmen, den Rest bekommt die Liste Y").

Ganz anders die Vorgehensweise in Baden-Württemberg. Dort erhält man schon im Vorfeld der Wahl einen ganzen Abreißblock mit jeweils einem Wahlzettel pro Liste. Nun muß man sich entscheiden: entweder, man gibt nur genau einen unveränderten (!) Wahlzettel - also eine Liste - an, dann erhält jeder Kandidat dort eine Stimme (Listenwahl) - oder man verteilt alle seine Stimmen explizit, indem man auf einem oder mehreren Wahlzetteln den Kandidaten eine, zwei oder drei Stimmen gibt (oder ggf. einige Kandidaten aus anderen Listen auf dem Wahlzettel der Liste, den man abgibt, handschriftlich ergänzt). Sobald man irgendeine Veränderung vornimmt, also einem Kandidaten zwei Stimmen gibt oder einen Kandidaten streicht, muß man jede Stimme explizit abgeben. Wer also die ganze Liste X außer dem Kandidaten Meyer wählen möchte, kann nicht wie in Rheinland-Pfalz die Liste X ankreuzen und Meyer streichen, er muß allen - in Stuttgart 59! - anderen Kandidaten explizit eine Stimme geben; ob er dann Meyer streicht oder nicht, ist egal. Streicht er nur Meyer durch und gibt den Wahlzettel so ab, gibt er keine Stimme ab! Wer nur Herrn Schulze und Herrn Fischer wählen möchte, ansonsten aber die Liste Y, muß auch die beiden gewünschten Kandidaten und dann alle Kandidaten der Liste Y (bis auf zwei) jeweils explizit ankreuzen. Da hilft es auch nur bedingt, daß man Herrn Schulze und Herrn Fischer dann auch auf den Wahlzettel von Liste Y dazuschreiben kann; ankreuzen muß man sie (und die übrigen 58 Kandidaten aus der Liste) dann immer noch. (Aber vielleicht kandidiert ja deshalb hier die "Weltaktion", die für die 60 Sitze im Stadtrat mit genau einem (!) Kandidaten antritt und daher auf ihrer Liste ausreichend Platz läßt, Bewerber anderer Listen handschriftlich einzutragen? ;-))

Ich kann mir nicht helfen, ich finde das im Vergleich zu dem rheinland-pfälzischen Wahlmodus ausgesprochen unpraktisch und zudem sehr fehleranfällig. (Und dabei bin ich ein typischer Listenabweicher mit minimalem Kumulieren und Panaschieren - was meine bessere Hälfte, eine typische Einzelkandidaten-Wählerin, von der Sache hält, ist kaum mehr druckreif. ;-)) Diese Nachteile werden nur in geringem Maße dadurch aufgewogen, daß man die Wahlzettel vorab erhält und sich daher ausreichend Zeit nehmen kann, sie zuhause auszufüllen, ohne durch das dauernde Nachzählen die Wahlkabinen zu blockieren. :-) Das allerdings hat wiederum Auswirkungen auf die Grundsätze der freien und der geheimen Wahl - denn es ermöglicht (wie bei der Briefwahl) eine Einflußnahme auf die Wahlhandlung, die dann ja eben nicht unbeobachtet in der Wahlkabine stattfindet, sondern zuhause.


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Kommentare

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Niels am :

Niels

Son Tünkram hebbt wi nich. :-) Und darüber bin ich als Wähler froh und richtig begeistert, weil meine Stadtverwaltung mich gerne und regelmäßig als Wahlvorstandsmitglied anmustert.

Thomas Hochstein am :

Thomas Hochstein

Die hiesige hat auf meine angebotenen Dienste verzichtet. Auch recht. :-)

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